Spaß und Respekt: Wie American Footballer ihre Schiedsrichter sehen
Pöbeleien, Beschimpfungen, Übergriffe – nach einigen Attacken auf Schiedsrichter gibt es im Amateurfußball aktuell eine Diskussion über die Sicherheit der Unparteiischen. Axel Hoepfner wundert sich darüber, was da passiert: „Beim American Football ist mir nichts Vergleichbares bekannt“, sagt der 1. Vorsitzende der Brilon Lumberjacks. Hoepfner hat jahrzehntelange Erfahrung als Spieler und ist inzwischen selbst Schiedsrichter. „Wir haben eine andere Sicht auf die Schiedsrichter: Wir freuen uns, dass es sie gibt. Ohne sie wären keine Spiele möglich.“
Immer auf Höhe des Spiels: Die Schiedsrichter an den Seitenlinien haben einen guten Überblick darüber, was auf dem Platz passiert. (Foto: Mario Polzer)
Die Rolle und die Aufgaben der Unparteiischen beim American Football unterscheiden sich deutlich von denen beim Fußball. Wegen der Komplexität des Spiels und weil bei manchen Spielzügen das Geschehen auf dem Platz wirklich unübersichtlich ist, sind mindestens fünf, in Idealbesetzung sieben Schiedsrichter im Einsatz. An den beiden Seitenlinien steht jeweils einer an der sogenannten Line of Scrimmage. Das ist die gedachte Linie quer übers Spielfeld, an der ein Spielzug beginnt. Vier weitere sind auf dem Feld. Sie beobachten verschiedene, nach den Positionen festgelegte Spieler. Der Oberschiedsrichter leitet das Spiel und gibt den Teams und dem Publikum die Entscheidungen der Unparteiischen bekannt. Er wird „White Hat“ genannt, denn während seine Kolleginnen und Kollegen schwarze Kappen tragen, trägt er eine weiße, um jederzeit erkennbar zu sein.
„Die Schiedsrichter sind das dritte Team auf dem Platz“, sagt der Lumberjacks-Vorsitzende Axel Hoepfner. Tatsächlich treffen sie alle Entscheidungen im Team. Sieht zum Beispiel ein Schiedsrichter ein Foul, wirft er eine gelbe Flagge aufs Spielfeld. Je nach Situation und Regel wird der Spielzug entweder abgepfiffen oder zunächst zu Ende gespielt. „Dann beraten alle gemeinsam, was passiert ist und welche Folgen das hat. Derjenige, der die Flagge geworfen hat, berichtet, was er gesehen hat. Die anderen sagen ihre Meinung dazu.“ So kommen die Unparteiischen gemeinsam zu einer Entscheidung. Gibt es Zweifel, hat der (oder die) „White Hat“ das letzte Wort. In der amerikanischen Profiliga NFL dürfen die Trainer diese Entscheidungen sogar mit dem Wurf einer roten Flagge anzweifeln. Dann müssen sich die Unparteiischen den Spielzug noch einmal auf Video anschauen und bewerten. In den NRW-Amateurligen gibt es das nicht. Wenn überhaupt, filmen hier die Teams die Spielzüge nur für ihre eigene Spielanalyse.
Während des Spiels kommunizieren die Schiedsrichter mit Handzeichen miteinander. Damit zeigen sie zum Beispiel an, ob zu Beginn eines Spielzuges alle Spieler richtig auf ihren Positionen sind, um welches Foul es sich möglicherweise handelt oder ob ein Spieler den Ball tatsächlich zum Touchdown in die gegnerische Endzone getragen hat. „Diese Handzeichen können auch die Spieler und Trainer lesen. So wissen alle, was los ist, auch wenn es gerade mal laut ist im Stadion“, sagt Axel Hoepfner.
Spieler, Trainer, Betreuer, Publikum und Schiedsrichter begegnen sich mit Respekt – und helfen sich gegenseitig. Zum Beispiel werden an heißen Tagen im Sommer die Trinkflaschen mit Wasser selbstverständlich auch an die Schiedsrichter weitergereicht. „Die Spieler wissen, dass die Schiedsrichter das Spiel nicht kaputtpfeifen möchten. Ihr Ziel ist es, dass das Spiel flüssig läuft. Und vor allem, dass sich niemand verletzt.“ Dabei gilt auch beim American Football die alte Regel: „Der Schiedsrichter ist Luft“. Anfänger, die mit den Spielzügen noch nicht so vertraut sind, nehmen deshalb erst einmal eine Position an der Seitenlinie ein, um nicht unabsichtlich in ein Tackling zu geraten. Mit zunehmender Erfahrung gehen sie auf die Positionen auf dem Feld. „Grundsätzlich kann jeder Schiedsrichter jede Position besetzen, je nach Bedarf“, erläutert Axel Hoepfner. „Um ‚White Hat‘ zu werden, braucht es aber schon recht viel Erfahrung.“
Rund 1.000 aktive American-Football-Schiedsrichter gibt es in Nordrhein-Westfalen, schätzt Hoepfner. „Früher waren das vor allem ehemalige Spieler. Heute kommen immer mehr Interessierte hinzu, die den Sport einfach mögen und nah dran sein möchten. Das macht ja auch Spaß.“ Auch viele Frauen sind dabei: Das Team der Schiedsrichter ist das einzige gemischte auf dem Platz. Jede Mannschaft, die in einer der Ligen in NRW spielt, muss mindestens drei Schiedsrichter stellen. „Das heißt aber nicht, dass ich jedes Wochenende ein Spiel pfeife“, sagt Axel Hoepfner. Die Einsätze werden möglichst langfristig im Voraus geplant. Eine kleine finanzielle Entschädigung gibt es zudem, und natürlich werden die Fahrtkosten erstattet.
Wer Schiedsrichter beim American Football werden möchte, absolviert einen Einsteigerkurs. Dieser wird vom Landesverband angeboten und dauert zwei Wochenenden. Danach gibt es die E-Lizenz, mit denen ein Schiedsrichter zum Beispiel bei den Spielen der Brilon Lumberjacks in der Landesliga eingesetzt werden kann. Weitere Lehrgänge, Lizenzen und Jahre der Erfahrung später kann man mit einer A-Lizenz die Spiele der Bundesliga pfeifen. „Auch die Lumberjacks freuen sich über neue Schiedsrichter“, sagt Axel Hoepfner. Eine starre Altersbegrenzung gibt es nicht. Interessierte können einfach über die Internet- oder die Facebook-Seite mit dem Vorstand Kontakt aufnehmen. „Der Verein übernimmt natürlich die Kosten für die Lehrgänge.“
Verfasser und verantwortlich für den Inhalt: Mario Polzer - Brilon Lumberjacks