Gestern hat uns Cevin Conrad, der Head Coach der Solingen Paladins empfangen. Aber nicht irgendwo, sondern auf „seiner“ Burg, nämlich auf Schloss Burg an der Wupper. Cevin’s Tag muss irgendwie länger sein als der „normaler“ Leute, denn neben Beruf, Familie, Coach für American Football, Baseball, Basketball und Fechten, veranstaltet er Führungen auf Schloss Burg und im Klingenmuseum (Solingen). Nick interviewte den US-Amerikaner, der seit rund 31 Jahren Aufbauarbeit in Deutschland im Bereich des American Football leistet. Es war ein besonderes Interview an einem besonderem Ort mit einem besonderen Menschen.
Cevin Conrad betreibt seit über 30 Jahren Aufbauarbeit im Bereich American Football (Foto: ©Oliver Jungnitsch)
Nick für NRW Football: Hier ist Nick Jungnitsch und ich sitze hier mit Cevin Conrad. Er ist der Head Coach der Solingen Paladins und ich danke dir, dass du dir die Zeit für uns genommen hast.
Cevin Conrad: Ach, das ist mir eine große Freunde (lacht)!
Nick: Du bist jetzt seit November 2016 der Head Coach der Paladins und bist hier in Deutschland seit über 30 Jahren als Footballcoach tätig. Ich möchte nur einige deiner vielen Stationen aufzählen: du warst in Bielefeld, Hamm, Köln, Düsseldorf und Paderborn. Auch außerhalb der Vereine hast du Spuren hinterlassen: so hast du auch die Jugendnationalmannschaft gecoacht. Daher möchte ich zu allererst wissen, woran erinnerst du dich besonders gerne zurück.
Cevin: Das schönste im Leben ist die Zeit, die man mit Spielern und Trainern verbracht hat. Auswärtsfahren. Wir haben Spiele gewonnen. Es sind die Beziehungen zu den Spielern und Trainern, die über die Jahre aufgebaut wurden. Ich bin jetzt schon so lange in Deutschland, dass die Spieler mit denen ich angefangen habe, schon Eltern wurden und diese Kinder haben auch Kinder bekommen. Auch die jüngsten Kinder lernen bereits American Football, also ich bin ein „Coaching-Opa“ von den ehemaligen Spielern. Dies ist sehr interessant zu sehen. Sportlich: damals habe ich die Jugendnationalmannschaft gegründet, in riesigen Stadien gespielt, deutsche Meisterschaften gewonnen. Aber es sind auch die kleinen Dinge, zum Beispiel einen jungen Spieler zu sehen, der noch nie Football gespielt hat und wie er sich entwickelt. Wenn er dann einen super Block oder Tackle setzt, das erfreut mich auch.
Nick: Neben deiner Tätigkeit als Coach im Football bist du auch im Baseball aktiv. Wie kann man die beiden Sachen vergleichen? Gibt es mehr Gemeinsamkeiten oder eher Unterschiede?
Cevin: Was sehr interessant ist beim Sport, ich war auch Basketballtrainer, Baseballtrainer in der Bundesliga und Fechttrainer, es gibt überall gleiche Strukturen. Früher war ich im Hochleistungssport im Fechten tätig, das ist auch der Grund, warum ich nach Deutschland gekommen bin. Sport an sich ist strukturiert, auch die Effizienz ist übertragbar von Sportart zu Sportart, genau so wie die Techniken, das Zeitmanagement und die Motivation. Man kann aus den verschiedenen Sportarten Ideen übertragen oder ergänzend einsetzen. Damit kann man die Sportler pushen und sie verbessern. Zum Beispiel beim Baseball: hier gibt es immer eine Pause, ähnlich wie beim Huddle im Football. Die kann man nutzen, um die Defense anders strukturieren. Man lernt im Baseball ständig zu kommunizieren. Weil sie miteinander reden, wissen die Spieler, dass sie den Ball direkt nach rechts werfen müssen oder zurück zum Pitcher. Das kann man in den Football übernehmen und den Defensespielern beibringen, miteinander zu sprechen. Das ist auch kein Geheimnis, wenn der Spieler sagt: „Ich nehme ihn oder ihn“, so sind die Dinge austauschbar.
Nick: Wo legst Du Deinen Schwerpunkt im Coaching?
Cevin: Als Head Coach auf die Organisation und Struktur.
Nick: Man liest viel, das Vereine Testspiele machen. Was denkst Du darüber?
Cevin: Zuerst darf man nicht vergessen, dass wir „Hobbyspieler“ sind. Ich hasse den Begriff „Hobby“, aber wir sind keine Profispieler! In Amerika, in den Highschools, trainieren sie fünfmal pro Woche bei nur 10 Spielen. Die Universitäten haben 11 bis 12 Spiele, aber wir spielen aus irgendeinem Grund 14 und geht wirklich auf die Knochen. Wenn du dann noch ein bis zwei Spiele hinzuaddierst, dann sind wir im NFL-Profi-Bereich. Aber unsere Jungs arbeiten nebenbei, ähm, trainieren nebenbei, daher versuche ich Testspiele zu vermeiden. Aber in diesem Jahr spielen wir tatsächlich ein Testspiel gegen die Schwäbisch Hall Unicorns. Wenn wir schon eins machen, dann messen wir uns gegen die Nummer ein in Europa. Das ist das beste Training, das man machen kann. Die (Unicorns) haben eine sehr gute Struktur. Die Jungs werden super trainiert und haben eine hervorragende Technik. Jeder Block oder jeder Tackle, den wir gegen den Meister machen, zeigt uns, was wir können. Man kann nur von den Besten lernen.
Nick: Es gab Veränderungen bei euch im Kader. Mit Nate Desemone und Dorian Stanard hast du zwei Amerikaner als Verstärkung für die Defense bekommen und mit Patrick Poetsch einen Runningback/Fullback verloren…
Cevin: Nein! Das ist eine Fehlinformation oder wenigstens teilweise. Nate spielt in der Defense und Dorian spielt in der Offense. Und Patrick Poetsch ist immer noch bei den Solingen Paladins. Er hat die Möglichkeit, so etwas wie ein Auslandssemester zu machen. Er geht nach Österreich. Dort wird er in der ersten Hälfte der Saison spielen. Patrick und ich haben im Winter drüber gesprochen und ich finde es ist eine tolle Möglichkeit und habe ihn ermutig, das einmal zu machen. Nach ein paar Spielen ist wieder zurück im Kader. Patrick trainiert immer noch bei uns. Ich denke, man muss den Spielern die Möglichkeit geben, ihren Horizont zu erweitern und andere Sachen auszuprobieren. Patrick ist immer noch ein Paladin, der ist ein bergischer Junge.
Nick: Danke für die Aufklärung und Richtigstellung. Wie sieht denn dein Coaching Staff für dieses Jahr aus?
Cevin: Das Team verändert sich nicht zum letztem Jahr. Ich habe Tim Rüttgers als Defense Coordinator, Michael Tiedge und Giuliano Schürrer als DB-Coach, Maik Odenhoven und Mustafa Somuncu für die Linebacker, Torsten Kowalewsky trainiert die Quarterbacks, Farid Jansen macht das Training für die O-Line, Martin Wagner für die Running Backs und Dennis Odenhoven für die WR. Rene Neuzig, ehemaliger Worldleague-Spieler macht unsere D-Line. Wir haben auf jeder Position ein bis zwei Coaches und sind somit sehr gut besetzt. Es macht sehr viel Spass mit ihnen. Wir tauschen uns viel aus, dabei geht auch viel über das Internet und die Software „hudl“. Und in den nächsten Wochen werden wir noch weitere Coaches dazubekommen.
Nick: Da kann man gespannt sein. Am 27.04.2019 spielt ihr gegen die Hannover Spartans. Was erwartest Du zum Saisonstart im eigenen Stadion?
Cevin: Was meinst was erwartet ich? (Lacht) Ich erwarte ein volles Stadion. Zum Glück spielen wir in der Jahnkampfbahn, wir nehmen hier unsere Festung ein. Das Station ist ein historisches Bauwerk und es kommen bestimmt wieder um die 1.500 Zuschauer, richtige Zuschauer, nicht so „Pi mal Daumen“. Super Stimmung, das ist meine Erwartung an das erste Spiel. Für die Zuschauer erwarte ich ein tolles Spiel.
Nick: Ihr habt im letztem Jahr den zweiten Platz erreicht, ihr wollt euch bestimmt um einen Platz in diesem Jahr verbessern oder was sind deine Ziele mit den Paladins in diesem Jahr?
Cevin: Unsere Ziele sind ein bisschen anders, wir kommen nicht aus dem Fußballbereich und seiner Mentalität. Mein Ziel ist, und das klingt ein wenig abgedroschen, aber mein Ziel ist immer, das nächste Spiel zu gewinnen. Das war’s! Eine ganze Saison überblicke ich nicht! Es können Verletzungen hinzukommen oder andere Mannschaften haben ein großes Budget und können noch Spieler einkaufen, was ich nicht verhindern kann. Was ich aber tun kann, mich auf das nächste Spiel zu konzentrieren und die Jungs auf das nächste Spiel vorzubereiten. Wenn wir das Spiel gewinnen, dann setzen wir auf das nächste Spiel. Wenn wir Glück haben, dann können wir durch Arbeit und viel Schweiß ein ganze Reihe von Siegen erlangen und somit stehen wir ganz weit oben. Ich sage immer: wir gewinnen oder wir lernen. Das ist unser Weg: gewinnen und lernen, gewinnen und lernen und so weiter. Das wird uns peu à peu nach oben bringen. Aber ich kann nicht sagen, wir werden im nächsten Jahr erste Bundesliga spielen. Wer weiss? Klar, wäre es nett, wer will das nicht.
Nick: Wen würdest du denn als Favoriten für die GFL2 sehen, nach den Roster-Moves, Rostock hat enorm aufgerüstet, der akteullen Vorbereitung was du bisher überblicken kannst. Was denkst du?
Cevin: Ich denke, ich muss alle Team respektieren, die sind alle gut und spielen einen guten Football. Es macht Spass, sich mit den anderen zu messen. Wenn mein Ziel ist es, jedes Spiel zu gewinnen, dann sind wir Favorit. Wenn ich wetten muss, dann muss ich immer auf mein eigenes Team setzen. Ansonsten wäre es traurig. Rostock hat riesig aufgerüstet. Elmshorn hat auch riesig aufgerüstet. Aber man vergiss häufig, es sind immer nur 11 Mann auf dem Platz und es ist ein Teamsport. Es nicht wichtig, was man einkauft, es ist wichtig, dass das Team eine Einheit ist. Hier im Bergischen bauen wir auf die deutschen Spieler, auf uns selbst. Klar haben wir ein paar Imports, aber die heißen bei uns nicht so. Bei uns sind sie auch Paladins. Auch sie sollen sich zum Team gehörig fühlen. Unser Quarterback Danny Farley, auch aus Amerika, er hat vergessen das er Amerikaner ist. Er hat ein deutsches Mädel kennengelernt, hat sich verlobt und wird dieses Jahr heiraten. Für uns als Paladins ist der Nachwuchs wichtig, wir bauen auf unsere Jugend. Wir wollen, dass sich die Spieler hier wohlfühlen.
Nick: Zum Abschluss interessiert mich besonders noch eines. Du bist aus dem Mutterland des American Footballs. Was muss sich hier verändern, damit der Football qualitativ noch besser wird?
Cevin: Ich bin nicht nur aus dem Mutterland des American Football. ich begleite auch in Deutschland, den Prozess und seine Entwicklung. Konstanz ist wichtig. Wir sind kein Fußballverein, wir spielen keinen Fußball. Vereine müssen sich langsam aufbauen und nicht auf den schnellen Erfolg schauen. Das andere Problem ist, es ist noch ein Sport der von Ehrenamtlichen gemacht wird. Die Vereine werden meist ehrenamtlich geführt, es gibt wenige Ausnahmen. Die großen Vereine haben vielleicht ein paar Personen in Vollzeit angestellt. Das ist meist ein Trainer. Das ganze Drumherum, Stadionaufbau, Werbung, Presse: das was ihr macht, ehrenamtlich! Finde erstmal die Leute die Freizeit dafür haben und einsetzen. Wir brauchen mehr Leute, die das ergänzen. Wie auch bei den Vorständen, auch das sind Ehrenamtliche, die aus den verschiedensten Berufen kommen. Sie sind meist einmal oder alle zwei Wochen beim Meeting. Versuche mal einen Verein von 200, 300, 400, 500 oder 600 Leuten zu führen, die brauchen mehr Unterstützung. Und dann, unsere „Oberhäupter“, die von dem großen Verband, der wächst und entfernt sich vom Volk. Das auch ist ein großes Problem, denn die Spieler spielen den Sport und die Trainer trainieren sie. Die Spieler müssen konstant gefordert werden und ihnen muss die Möglichkeit geben Nationalmannschaft zu spielen. Insgesamt muss alles stabiler werden und man muss mehr miteinander zusammenarbeiten. Zum Beispiel einen Pool bilden, für die Gewinnung von Sponsoren, vielleicht sogar für eine ganze Liga. Damit es insgesamt finanziell besser wird, damit wird es für den American Football einfacher wird sich zu entwickeln. Aber was toll ist: Pro7 und Pro7maxx. Wir sehen jede Woche Football. Dadurch bekommen wir mehr Zuschauer ins Stadion, da vom Fernsehen ein größeres Publikum angesprochen wird. Als ich nach Deutschland kam, da wußte keiner, was American Football war. Ich wurde immer gefragt: American Football Trainer was ist das? Rugby? Da hauen sich die Spieler die Köpfe ein, das ist gefährlich! Ich versuchte dann zu erklären: nein, das ist Schach auf dem Rasen. Die Bewegungen und der Kontakt ist mit Judo vergleichbar, des ist kein gewalttätiger Sport. Klar ist es ein Kontaktsport, aber bei dem man denken muss. Hier ist viel Training und Wissen erforderlich, das wird gut durch das Fernsehen vermittelt. Das bringt Leute zu unserm Sport und hilft uns zu wachsen. Nicht zu vergessen, Leute wie euch, die ehrenamtlich arbeiten und den Sport bekannter machen. Toll!
Nick: Dann, vielen, vielen Dank für deine Zeit und deine Einblicke in Bereich American Football, gerade zu den Paladins. Vielen Dank!
Cevin: Gern geschehen!