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In Siegen wird „Fluch und Segen gebündelt“

Heute führt uns die Reise zu einem der äußersten Landstriche von NRW, nach Siegen.  Die Siegen Sentinels spielen in diesem Jahr in der Verbandsliga, nachdem es im letztem Jahr sportlich nicht gut lief. Aber wir wollen lieber nach vorne schauen und mit uns ein Kind aus dem Ruhrpott, Philipp Reiche der Head Coach der Sentinels. 

Philipp Reiche

Seit 2018 ist Philipp Reiche der Head Coach der Siegen Sentinels:  (Foto: bereitgestellt von den Siegen Sentinels)

Philipp spielte von 1999 bis 2000 in der Jugend der Bochum Cadets und ab 2001 bis 2008 in der Herrenmannschaft. Zu der Zeit waren die Cadets in der Regionalliga und der GFL2 beheimatet. Hier arbeitete er mit Trainergrößen wie Yves Thissen und Ralf Peifer zusammen. 2008 wechselte Philipp nach Siegen und spielte dort bis 2013 bei den Siegen Sentinels. Die Sentinels gründeten sich erst im  Jahre 2008, daher konnte er beim Aufbau mit seiner Erfahrung punkten. Bereits früh schaute er auch auf die Seite neben dem Platz, die Coachingzone. 2002 war Philipp DB-Assistent für die Jugend der Cadets, ab 2008 DB-Coach in Siegen. Nach dem Posten als Defense Coordinator in der Zeit von 2010 bis 2013 wurde er ab 2018 Head Coach der Sentinels. Ferner coachte er auch in der GreenMachine (Auswahlmannschaft von NRW) die U19. So! Jetzt genug der Vorrede.

Oliver von NRW-Football: Philipp, wenn du an die letzte Saison denkst, an was erinnerst du dich?
Philipp Reiche: Wenn ich an die letzte Saison denke, dann ist es zusammengefasst die Saison der verpassten Chancen. In fast allen Spielen waren wir mit unseren Gegnern auf absoluter Augenhöhe, haben aber zu viele Fehler gemacht und so auch die Siege aus der Hand gegeben. Mit dem Abstieg in die Verbandsliga hatte ich tatsächlich das erste Mal bei den Sentinels Angst um die nächste Saison. Gerade die erfahrenen Spieler waren sehr ernüchtert und haben teilweise über Wechsel und mit Beendigung der Footballlaufbahn geliebäugelt. Letztendlich haben wir zwei Abgänge nach Marburg zu vermelden. Den Jungs wünsche ich von Herzen alles Gute und unendlich viel Spaß bei der Erfahrung in der GFL.
 
Oliver: Ja, Siege und den Aufstieg feiern ist einfach. Ich behaupte mal, selbst wenn ihr in der Oberliga geblieben wäret, hätten die Beiden die Chance wahrgenommen in die GFL zu wechseln. Es spricht aber für dich, dass es nicht so schlimm gekommen ist, wie du es befürchtet hast. Aus den Fehlern lernen ist wichtig, aber darf sich nicht von ihnen beherrschen lassen. Was sind deine Ziele mit der Mannschaft für 2019?
Philipp: Wir als Mannschafft sind gerade in den letzten Wochen ziemlich zusammen gewachsen und die Ernüchterung des Abstiegs ist in Motivation für die Saison umgemünzt worden. Zusätzlich haben wir dieses Jahr qualitativ hochwertigen Zulauf bekommen, was Rookies und erfahrene Spieler betrifft. Mit Patrick Schöps von den Cologne Falcons II und Alexander Hochbein von den Kassel Titans haben wir erfahrenen Zulauf für die Running Back-Position bekommen. Das macht schon Lust auf die Saison. Ziele sind natürlich immer schwer zu formulieren, aber ich sage es mal so: Wir wollen um den Aufstieg mitspielen.
 
Oliver: Noch sind es rund zwei Monate bis zu eurem Saisonauftakt. Wo setzt du aktuell den Trainingsschwerpunkt?
Philipp: Der aktuelle Trainingsschwerpunkt ist das Playbook und die Verbesserung der  Technik. Wir werden am 30.03. mit unseren langjährigen Bekannten, den Wetzlar Wölfen, trainieren und anschließend das erste Mal wieder „Fremdkontakt“ haben. Unser Trainingslager werden wir zur Vertiefung aller gelernten Themen nutzen. Der Abschluss erfolgt durch den Wupperbowl am 14.04.2019, zu dem wir von den Wuppertal Greyhounds eingeladen wurden.
 
Oliver: Philipp, du hast von 1999 bis 2008 bei den Bochum Cadets gespielt und dort auch gecoacht. Wie war es damals für dich? Oder hast du sogar noch Kontakt zu einigen Leuten? 
Philipp: Ich habe bei den Cadets mit dem Football in der Jugend begonnen und nach dem Wechsel in den Seniorenbereich bin ich unter die Obhut von Yves Thissen gekommen, der mich dann, mit seiner Art und Weise mit Menschen umzugehen, ziemlich geprägt hat. Auch nach einer Verletzung konnte er mich motivieren und lies mich in das Coaching reinschnuppern. In dieser Zeit sind ziemlich viele Kontakte und Freundschaften entstanden, die immer noch bestehen. Besonders freut es mich, dass so viele ehemalige Spieler und Trainier immer noch im Coaching oder allgemein im Football aktiv sind und dass man sich immer wieder sieht.
 
Oliver: Im Jahre 2009 hast du mitgeholfen die Siegen Sentinels aufzubauen, provokativ gesagt, von der GFL2 in die Footballprovinz, die sie heute nicht mehr ist. War es damals für dich ein Kulturschock?
Philipp: Naja, bei dem Aufbau selbst habe ich nicht wirklich mitgeholfen, ich war nur einer der ganz wenigen Spieler, die schon einmal gespielt haben. Hinzu kam, dass ich Coachingerfahrung hatte. Dadurch wurde ich doch recht schnell zum DB Coach und dann ging es „Schlag auf Schlag“ bis ich zum Head Coach „aufgestiegen“ bin. Siegen an sich ist damals schon ein Kulturschock gewesen, wenn man gerade aus der Millionenmetropole Ruhrpott kommt und dann erst einmal denkt, dass es keinen Footballverein gibt. Durch einen Radiobericht habe ich von den Sentinels erfahren und sofort mit dem damaligen Verantwortlichen, Silvan Taschan, telefoniert. Ich war direkt bei dem nächsten Training im Dezember 2008 vor Ort. Im ersten Training wurden dann Dinge gemacht, mit denen ich nicht ganz einverstanden war (Bull in the Ring, etc.). Da war mir klar, hier muss ich helfen, das habe ich dann auch getan. 
 
Oliver: Siegen liegt nah an Rheinland Pfalz und Hessen, aber es ist dort recht  „einsam“. In dem Wikipediaeintrag zu Siegen findet man, neben Fußball, bei den sportlichen Highlights Erfolge im Prellball, Rhönrad, Ringtennis und Billard. Nichts über American Football, dass muss sich ändern! Scherz beiseite: wie sieht es bei euch mit dem Nachwuchs und der Akzeptanz in der Stadt aus? Profitiert ihr von den NFL-Spielen im Free-TV?
Philipp: (Lacht) Oh, das mit dem Wikipediaeintrag wusste ich gar nicht. Das wird geändert! Danke für den Hinweis! Im Allgemein haben wir so eine Art Running Gag zu unserer geographischen Lage. Wir haben in Siegen Fluch und Segen gebündelt:  „Es ist zu weit für einen Vereinswechsel, aber auch zu weit um erfahrene Coaches und Spieler zu bekommen“. Aber dennoch haben wir Zulauf. Gerade im ersten Jahr der NFL Ausstrahlung haben wir unser jährliches „Rookie-Camp“ gegründet und dabei über 90 Footballinteressierte begrüßen dürfen. Im zweiten Jahr waren auch noch um die 80 Jungs dabei. Im letztem Jahr ist es doch merklich weniger geworden, aber dafür war die Qualität der Rookies ziemlich gut. Unsere Akzeptanz bei der Stadt ist eigentlich auch gut, unser Heimspielplatz ist ein Traum und das Stadion ist wirklich schön. Das Einzige, was wirklich stört ist, dass wir dort keinerlei Musik machen dürfen, aber dafür kann die Stadt nichts, sondern die Anwohner haben es vor höchsten Gerichten eingeklagt, dass dort Ruhe zu herrschen hat. Muss man nicht verstehen, aber auch da arbeiten wir an einer Lösung. Allgemein ist die Akzeptanz noch größer geworden, nachdem wir, wohl als erster Footballverein, mit einem Fußballverein fusioniert sind. Dadurch stehen wir jetzt nicht mehr an letzter Stelle bei der Trainingsplatzvergabe,  sondern wir sind gleichberechtigt mit dem Fußball. Das klappt sehr gut.
 
Oliver: Du warst auch Coach bei der GreenMaschine und hast einige Talente gesehen. Zum Abschluss würde ich daher gerne wissen, was können gerade die jungen Spieler besser machen oder voran sollten sie besonders arbeiten? 
Philipp: Das stimmt, da war ich einige Jahre bis zur Auflösung der U19 GreenMachine. Dort habe ich tatsächlich viele sehr, sehr gute Spieler gesehen. Junge Spieler sollten als aller erstes eines besser machen: sie sollten versuchen ihre Schule und ihr Privatleben soweit zu strukturieren, dass sie Zeit für das Hobby Football haben. Man merkt, dass viele Spieler mit der Schule und ihrem sonstigen Leben komplett überfordert sind und die hören nach einem halben Jahr wieder auf oder kommen nur sehr selten zum Training. Football ist kein Sport, den man mal eben so nebenbei machen sollte, sondern man muss ihn wirklich leben. Gerade die erfolgreichen jungen Spieler aus der Auswahl haben schon neben dem Training ordentlich im Fitnessstudio gearbeitet oder haben sich anderweitig auf die Belastung vorbereitet.
 
Oliver: Es war ein sehr interessantes Gespräch und ich bedanke mich dafür! Damit du etwas Heimweh bekommst, schließe ich mit dem typischen Gruß aus dem „Pott“ – Glück auf!
Phillip: Glück auf!
 
Oliver Jungnitsch führte das Interview mit Philipp Reiche für NRW Football. Wer weitere Informationen zu den Siegen Sentinels sucht, die haben wir hier verlinkt. 
 
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